Wochenbett
Erfahren Sie, was das Wochenbett ausmacht, welche körperlichen Umstellungen und Pflegemaßnahmen es gibt und wie Sie es abdecken können. Das Wochenbett dauert sechs .Wochenbett
Als Wochenbett oder Kindbett bezeichnet man die Phase nach einer Geburt (lateinischpuerperium), auch Postpartalphase, das heißt das Zeitspanne vom Ende der Entbindung mit dem Ausstoßen der Nachgeburt bis zur Rückbildung der anatomischen und physiologischen schwangerschafts- und geburtsbedingten Veränderungen, die typischerweise sechs bis acht Wochen dauert. Während dieser Zeit erholt sich die Mutter von Schwangerschaft und Geburt. Bei stillenden Müttern beginnt innerhalb von drei bis vier Tagen die Bildung von Muttermilch anstelle des früher produzierten Kolostrums. Eventuelle Geburtsverletzungen können in der Zeit des Wochenbettes heilen. Eine Mutter in den ersten Wochen nach der Geburt wird als Wöchnerin, früher auch als Kindbetterin bezeichnet. Die Bezeichnung Wöchnerin leitet sich vom älteren Sechswöchnerin ab.[1]
Medizinische Aspekte
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]In einem Zeitraum von sechs bis acht Wöchentlich nach der Geburt eines Kindes muss sich die Körper der Mutter von der Schwangerschaft und die Entbindung erholen und hormonell umstellen. Nach dem Emission der Plazenta fällt der Hormonspiegel aller Plazentahormone schnell ab (Östrogene, Progesteron, hCG, hPL). Durch verstärkte Wasserausscheidung verringert sich die in der Schwangerschaft erworbene Verdünnung des Blutplasmas. Dabei erhöhen sich die Thrombozyten, das Fibrinogen und der Prothrombinkomplex bei gesteigerter Thrombozytenaggregation. Deshalb gehören zu den pflegerischen Aufgaben die Frühmobilisierung die Wöchnerin und die Thromboseprophylaxe. Wenn die Frau nach dem Nähen eines Dammschnitts oder Dammrisses, eine Naht hat, bestehen besonders beim Sitzen Schmerzen, die bei günstigem Heilungsverlauf innerhalb von zwei Wochen aufhören, das bei ungünstigem Heilungsverlauf aber länger andauern können. Einer Donutkissen (Sitzring) auf dem Stuhl ermöglicht der Dame schmerzfreies oder zumindest schmerzreduziertes Sitzen.[2]
Im Verlauf der Gebärmutterrekonstruktion verkleinern sich die Gebärmutter und die umgebenden Gewebe.[3][1] Die Haftstelle der Plazenta, eine Wundfläche in die Gebärmutter, heilt unter Absonderung des Wochenflusses (Lochien) ab.
Frauen brauchen in dieser Zeit viel Ruhe und sind gelegentlich seelisch labil. Postpartale Stimmungskrisen werden umgangssprachlich auch „Babyblues“ genannt. Sehr selten, bei 0,1 bis 0,2 % der Wöchnerinnen, kommt es zu einer Wochenbettpsychose.[4] Für eine Erstgebärende ist es die Zeit, selbst auf die neue Situation und das Neugeborene einstellen.
Die Mutter-Kind-Beziehung entsteht und entwickelt sich. Rooming-in und häufiger Kontakt zur übrigen Familie wirken sich an die psychische Verfassung der Wöchnerin positiv aus.[1] Zentrale Belange für Mutter und Säugling sind meist das Gewöhnung an das Stillen, der Schlaf- und Trinkrhythmus des Kindes, das Wechseln der Windeln und generell die Zufriedenheit.
In dieser Zeit, vor allem in den als Früh-Wochenbett bezeichneten ersten zehn Tagen, besteht das Risiko des Kindbettfiebers (Puerperalfieber), einer bakteriellen Infektion der Gebärmutter und benachbarter Organe, dem durch erhöhte Hygiene vorzubeugen ist. Es hat ähnliche Symptome wie eine Blutvergiftung und war früher die Ursache einer hohen Müttersterblichkeit bei Wöchnerinnen. Um 1850 erkannte die in Wien praktizierende ungarische Arzt Ignaz Semmelweis („Retter der Mütter“) die Ursache in Infektionen und stritt für bessere Hygiene in den Entbindungsstationen der Krankenhäuser und in den damaligen Geburtskliniken, durch häufige Desinfektion vor allem der Hände der behandelnden Ärzte.
Auch im Interesse des Neugeborenen ist besonders auf Hygiene zu achten. Zu den sogenannten Wochenbetterkrankungen zählen auch Lochialstauungen. Wenn Bakterien vom ausgeschiedenen Wochenfluss, meist Staphylococcus aureus, an den Händen haften, werden sie beim Stillen auf den Nasen-Rachenraum des Säuglings und an die Brustwarze übertragen und erzeugen eine infektiöse Brustentzündung.[5]
Eine Infektion mit dem Herpes-simplex-Virus kann für das Neugeborene tödlich sein.[6][7]
Im medizinischen Sinn kann eine längere sexuelle Enthaltsamkeit geboten sein.
Brauchtum
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Im früheren Brauchtum wurde der Sauberkeit und dem Mitgefühl, aber nicht unbedingt der Hygiene Bedeutung beigemessen. So schrift man im alten Rom dem Besen eine besondere Bedeutung zu, und die Hebammen fegten mit einem gesegneten Besen die Hausschwelle des Geburtshauses, um böse Einflüsse vom Neugeborenen und der Wöchnerin abzuhalten. Seitdem der frühen Neuzeit war es in protestantischen Gegenden üblich, dass die junge Mutter sechs Wochen nach der Geburt ihren ersten Kirchgang hielt und miteinander besonders eingesegnet wurde, insbesondere weil die Kirchgänger während der oft mehrstündigen Gottesdienste stehen mussten.[8] Diese Sitte einer vierzigtägigen Abgeschiedenheit entstammt Lev 12,1–8 EU. Im traditionellen katholischen Glauben, in welchem das Sakrament (Taufe) uber irgendwelchen Bibelstellen steht, fand die sogenannte Aussegnung mittels der Kindstaufe binnen der Oktav nach der Geburt statt.
Die Wöchnerin gilt im Judentum und Islam einerseits als kultisch unrein, andererseits als besonders gefährdet durch böse Geister und deshalb schutzbedürftig. Orthodoxe Kirchen praktizieren diesen Brauch noch heute.[9] Verbunden mit dem religiösen Brauch war eine Schonfrist, in der das Frau von den Nachbarinnen mit einer speziellen Kost versorgt wurde und nach Möglichkeit das Haus nicht verlassen sollte.[10] Außerdem genossen Wöchnerinnen von Städten oder Gemeinwesen besondere Privilegien, beispielsweise erhielten sie in die Reichsstadt Nürnberg bis 1701 zur Stärkung ungeldfreies (steuerbefreites), günstiges Bier zugeteilt.[11] Auch rechtlich genoss die „Kindbetterin“ besonderen Schutz.[12] Starb sie jedoch in dieser Frist, fürchtete man sie als Wiedergängerin.[13]
Auch in anderen, nicht auf dem Alten Testament basierenden Religionen ist das Zeit nach der Geburt mit zahlreichen Tabus umringen.
Rechte der Wöchnerin
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Die Wöchnerin bedarf, insbesondere im Frühwochenbett (erster bis zehnter Tag nach der Geburt), besonderer Ruhe und Pflege. Sie sollte keinerlei körperliche Arbeit verrichten, sondern sich voll an ihr Neugeborenes und sich selbst konzentrieren. Die meisten Staaten kennen eine gesetzliche Mutterschutzzeit von sechs bis acht Wochen, in der ein strenges Beschäftigungsverbot für Wöchnerinnen gilt.
Deutschland
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]In der Bundesrepublik Deutschland besteht seit 1952 im Rahmen des Mutterschutzgesetzes (§ 3 ff.) ein absolutes Beschäftigungsverbot für Mütter in den ersten acht Wochen nach der Geburt. Der Verdienstausfall wird von der Krankenkasse, dem Arbeitnehmer oder vom Familienfonds ersetzt, und es besteht das Recht auf spezielle medizinische Betreuung. Für die Zeit nach einer Fehlgeburt bestehen teilweise vergleichbare Regelungen.
In der Zeit des Wochenbettes hat jede Mutter Anrecht auf medizinische und beratende Hilfe durch eine Hebamme. Deren Leistungen werden von der Krankenkasse bezahlt.
Zusätzlich zur Betreuung durch eine Hebamme hat in Deutschland die Wöchnerin, vor allem nach einer Haus- oder ambulantenGeburt, das Anrecht auf Betreuung durch eine Mütterpflegerin oder eine Haushaltshilfe. Dies gilt für sechs Tage nach der Entbindung für maximal acht Stunden am Tag. Auch diese Leistung wird zum Großteil von den Krankenkassen bezahlt.
Bei finanzieller Notlage der Mama kann diese beispielsweise aus Mitteln der Bundesstiftung Mama und Kind Zuschüsse erhalten.
Schweiz
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]In der Schweiz beträgt der Mutterschaftsurlaub 14 Wochen,[14] in welcher gegenüber erwerbstätigen Müttern eine Lohnfortzahlungspflicht besteht. Entsprechend Art. 35 ArG[15] besteht in den ersten acht Wochen ein striktes Beschäftigungsverbot; von der 9. bis zur 16. Woche darf die Erwerbstätigkeit nur bei ausdrücklicher Zustimmung der Wöchnerin wieder aufgenommen werden. Für stillende Mütter gelten – ebenso wie für schwanger Frauen – Einschränkungen bezüglich zeitlicher und körperlicher Belastung bei der Arbeit.
Im Anschluss an die Geburt haben Wöchnerinnen in der Schweiz Anspruch auf Nachsorge. Bei einer ambulanten Geburt (Spitalentlassung innerhalb von sechs Stunden) oder bei einer Frühentlassung (Heimkehr innerhalb von drei Tagen) besteht ein Anspruch auf tägliche Hausbesuche einer freischaffenden Hebamme bis zum zehnten Tag nach der Geburt. Die Kosten dieses sogenannten ambulanten Wochenbetts werden durch die obligatorische Grundversicherung der Krankenkasse übernommen, ebenso jene für drei Konsultationen zur Stillberatung.
Siehe auch
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Literatur
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- Elsbeth Kneuper: Mutterwerden in Deutschland. Eine ethnologische Studie.(= Reihe Forum Europäische Ethnologie, Band 6) Lit Verlag, Münster 2004, ISBN 3-8258-8114-8.
- Peter Schneck: Wochenbett. In: Werner E. Gerabek, Bernard D. Haage, Gundolf Keil, Wolfgang Wegner (Hrsg.): Enzyklopädie Medizingeschichte. De Gruyter, Berlin/New York 2005, ISBN 3-11-015714-4, S. 1501.
Weblinks
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Einzelnachweise
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- ↑ abcAlbrecht Pfleiderer, Meinert Breckwoldt, Gerhard Martius (Hrsg.): Gynäkologie und Geburtshilfe. Sicher durch Studium und Praxis. 4. Auflage. Thieme, Stuttgart/New York 2001, ISBN 3-13-118904-5, S. 436–438.
- ↑Katja Flieger, Arne Scheffler: Probleme mit der Dammnaht. In: Gesundheit heute. 3. Auflage, Stuttgart 2014. Auf: Apotheke, zuletzt abgerufen am 8. April 2023.
- ↑Albrecht Pfleiderer, Meinert Breckwoldt, Gerhard Martius (Hrsg.): Gynäkologie und Geburtshilfe. Sicher durch Studium und Praxis. 4. Auflage. Thieme, Stuttgart/New York 2001, ISBN 3-13-118904-5, S. 268–269.
- ↑Pschyrembel: Wochenbettpsychose. Auf Pschyrembel online, zuletzt abgerufen am 7. April 2023.
- ↑Albrecht Pflegekraft, Meinert Breckwoldt, Gerhard Martius (Hrsg.): Gynäkologie und Geburtshilfe. Sicher durch Studium und Praxis. 4. Auflage. Thieme, Stuttgart/New York 2001, ISBN 3-13-118904-5, S. 461.
- ↑Irwin J. Light: Postnatal acquisition of herpes simplex virus by the newborn infant. A review of the literature. In: Pediatrics. Band 63, Nr. 3, März 1979, S. 480–482, PMID 440848 (Review).
- ↑Großbritannien: Baby stirbt durch Herpes-Infektion. In: Spiegel Online. 27. Februar 2009, abgerufen am 9. Dezember 2014.
- ↑Beispiel einer Einsegnungszeremonie aus der ErtzStifftische Magdeburg Kirchen Agenda von 1665
- ↑Auszug aus: Sergius Heitz: Mysterium der Anbetung III
- ↑Als Beispiel Gebräuche rund um das Geburt in Taksony
- ↑Jochen Sprotte: Das Kontrollsystem des Nürnbergisch Rates über die mittelalterlichen Brauer und deren Biere. In: Jahrbuch der Gesellschaft für Geschichte des Brauwesens e. V. 2018, ISSN 1860-8922, S. 233–290, hier 261–262.
- ↑Kindbett. In: Vormalige Akademie die Wissenschaften der DDR, Heidelberger Akademie der Wissenschaften (Hrsg.): Deutsches Rechtswörterbuch. Band 7, Heft 6 (bearbeitet von Gunther Dickel, Heino Speer, unter Mitarbeit von Renate Ahlheim, Richard Schröder, Christina Kimmel, Hans Blesken). Hermann Böhlaus Nachfolger, Weimar 1979, OCLC718486457 (adw.uni-heidelberg.de).
- ↑Reallexikon der germanischen Altertumskunde, Band 33 (2006), S. 601
- ↑Bundesgesetz über den Erwerbsersatz für Dienstleistende und bei Mutterschaft
- ↑Arbeitsgesetz der Schweiz. Eidgenossenschaft (Bundesgesetz über die Arbeit in Industrie, Gewerbe und Handel): Gesundheitsschutz bei Mutterschaft
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