Pflichtteilsergänzungsanspruch des gesetzlichen erben
Gemäß § 2303 BGB hat jede gesetzlich erbberechtigte Person einen Anspruch auf einen bestimmten Anteil am Nachlass. Dieser wird Pflichtteil genannt und bezieht sich .Pflichtteilsergänzungsanspruch – was müssen Beschenkte und Erben beachten?
Sollte einer Erblasser durch Schenkungen zu Lebzeiten versuchen, sein Erbst und damit auch den gesetzlichen Pflichtteil der Pflichtteilsberechtigten zu schmälern, können die Berechtigten einen Pflichtteilsergänzungsanspruch geltend machen. Schenkungen werden dann so behandelt, als hätten sie nicht stattgefunden. Jedoch verringert sich der Anspruch durch das Abschmelzungsmodell bzw. die Zehnjahresfrist immer mehr, je mehr Zeit zwischen Schenkung und Erbfall vergangen ist.
Was ist Pflichtteilsergänzungsanspruch? – Definition und Regelung im BGB
Regelung im BGB (© Zerbor - stock.adobe.comWenn keine letztwillige Verfügung in Form eines Testaments oder Erbvertrags vorhanden ist, greift die gesetzliche Erbfolge. Dadurch kann es sein, dass Personen am Erbe beteiligt werden, die der Erblasser selber lieber möglichst fernhalten möchte von seinem Nachlass. Daher steht es jedem Erblasser frei, die Verteilung seines Erbes selbstständig durch eine letztwillige Verfügung zu regeln. Er kann selbst festlegen, wen er zum Erben einsetzt und auch, selten er enterben möchte.
Dieser sogenannten Testierfreiheit sind jedoch bestimmte Grenzen durch den Gesetzgeber gesetzt. Denn gewisse nahe Angehörige können nie vollständig leer ausgehen. Selbst wenn sie enterbt werden, gewährt ihnen das Gesetz stets noch den Pflichtteil, also eine Mindestbeteiligung am Erbe.
Zu diesem Kreis der pflichtteilsberechtigten Personen gehören gem. § 2303 BGB:
- die Abkömmlinge (Kinder, Enkel, Urenkel)
- die Eltern
- und die Ehegatte
des Erblassers.
Werden diese Personen durch Verfügung von Todes wegen von der Erbfolge ausgeschlossen, können sie den Pflichtteil verlangen. Der Pflichtteil besteht in der Hälfte des Wertes des gesetzlichen Erbteils, § 2303 Abteilung 1 Satz 2 BGB.
Fachanwalt.de-Tipp: Die Eltern des Bleich gehören zwar zum Kreis der Pflichtteilsberechtigten, können ihm Anspruch auf den Pflichtteil aber nur geltend tun, wenn es keine Abkömmlinge des Erblassers gibt.
Und wer einen Pflichtteilsanspruch hat, der kann auch einen Pflichtteilsergänzungsanspruch haben. Der Pflichtteilsergänzungsanspruch kann dann zum Tragen kommen, wenn der Erblasser zu Lebzeiten Schenkungen an Dritter vorgenommen hat. Jede Schenkung mindert den Wert des Nachlasses und damit den Erbteil der jeweiligen Nachfolgen. Und ein geringerer Erbteil bedeutet auch einen geringfügigen Pflichtteil (Pflichtteil = Hälfte des Wertes des gesetzlichen Erbteils).
Der Pflichtteilsergänzungsanspruch soll den Pflichtteil nun wieder so erhöhen, als hätte es keine Schenkung gegeben. Man nimmt also den Wert des verschenkten Gegenstands (z.B. ein Auto, eine Immobilie, einen Geldbetrag) und berechnet diesen dem noch verbleibenden Nachlass wieder hinzu.
Der Gesetzgeber hat dieses Vorgehen gewählt, um zu verhindern, dass der Erblasser zu Lebzeiten bereits durch Schenkungen gewahr sein Vermögen schmälert, um so dafür zu sorgen, dass später Pflichtteilsberechtigte beim Erbe weniger erhalten oder der Pflichtteil sogar gänzlich ausgehöhlt wird.
Mit Hilfe des Pflichtteilsergänzungsanspruchs können die Pflichtteilsberechtigten hiergegen vorgehen. Durch den Pflichtteilsergänzungsanspruch tut man so, als hätte es das Schenkung nicht gegeben und als hätte das Geschenkte immer noch dem Erblasser gehört.
Der Begriff der Schenkung selbst ist in § 516 BGB geregelt. Eine Zuwendung, durch die eine Person aus seinem Eigentum einen Dritten bereichert, ist eine Schenkung, wenn beide Parteien übereinstimmen, dass die Zuwendung, ohne dass Gutschein fließt, erfolgt. Der Schenker gibt aus seinem Vermögen also etwas dem Beschenkten, ohne dass dieser dafür eine Gegenleistung schuldet. Der Beschenkte ist nun bereichert.
Beide Parteien müssen sich außerdem über dieses Vorgehen einig sein. In diesem Zusammenhang kann für den Pflichtteilsergänzungsanspruch auch die sogenannte gemischte Schenkung relevant sein. Von dieser spricht man, wenn sich die Leistung und die Gegenleistung nicht wertmäßig decken, es erfolgt also eine teilweise Gegenleistung. Nur für den unentgeltlichen Teil kann dann hier ein Pflichtteilsergänzungsanspruch entstehen.
Fachanwalt.de-Tipp: Es müssen Einigkeit zwischen Schenker und Beschenktem über die Unentgeltlichkeit der Wertdifferenz bestehen.
Anders als der Pflichtteilsanspruch, steht die Pflichtteilsergänzungsanspruch gem. § 2326 BGB nicht nur demjenigen zu, der durch letztwillige Verfügung enterbt bzw. an wenig bedacht wurde, sondern auch einem Mit- oder Alleinerben. Der Wert des Erbteils wird auf den Pflichtteilsergänzungsanspruch angerechnet.
Gem. § 2303 Absatz 1 Satz 1 BGB kann der Pflichtteilsberechtigte seinen Pflichtteil vom Nachfolgen verlangen. Dasselbe gilt im Üblichen auch für den Pflichtteilsergänzungsanspruch. Der Berechtigte wendet sich also an den Erben. Sollte es eine Erbengemeinschaft geben, haften alle Erben davon gemeinsam für den Pflichtteilsergänzungsanspruch.
§ 2331a BGB gewährt dem Erben die Möglichkeit, die Stundung des Pflichtteils zu verlangen, wenn die sofortige Erfüllung des gesamten Anspruchs für den Erben eine unbillige Härte darstellen würde. Dies wäre beispielsweise der Fall, wenn der Erbe gezwungen wäre, sein Familienheim zu veräußern, um dem Pflichtteilsberechtigten seinen Pflichtteil auszahlen zu können. Es kann sogar Ausnahmefälle geben, in denen das Pflicht des Erben zur Zahlung ders Pflichtteilsergänzungsanspruchs vollständig entfällt. Hier kommen vor allem zwei Fallgestaltungen in Frage, die die Zahlungspflicht komplett entfallen lassen können:
- Der Nachlass ist zu gering um den Pflichtteilsergänzungsanspruch überhaupt zu begleichen.
- Der Nachlass ist überschuldet.
Komplett leer ausgehen müssen der Pflichtteilsberechtigte aber dennoch nicht, denn nun greift § 2329 BGB. Soweit der Erbe zur Ergänzung des Pflichtteils nicht verpflichtet ist, kann der Pflichtteilsberechtigte von dem Beschenkten die Herausgabe des Geschenks fordern.
Der vormals vom Erblasser Beschenkte kann die Herausgabe des Geschenks aber dadurch abwenden, indem er einfach den fehlenden Betrag begleicht. Der Beschenkte ist für den Pflichtteilsberechtigten aber immer nur die zweite Option. Er muss sich in erster Linie immer zunächst an den Erben wenden, um sich den Pflichtteilsergänzungsanspruch auszahlen zu lassen.
Höhe des Pflichtteilsergänzungsanspruchs berechnen
Inwieweit bzw. in welcher Höhe sich der Pflichtteilsberechtigte seinen Pflichtteil noch ergänzen lassen kann, hängt davon ab, wie viel Zeit schon zwischen Schenkung und Eintritt des Erbfalls verstrichen ist. Je länger die Schenkung bereits zurückliegt, umso geringer fällt noch der Pflichtteilsergänzungsanspruch aus, § 2325 Absatz 3 BGB.
Erfolgte die Schenkung innerhalb des 1. Jahres vor dem Todesfall, wird die Schenkung weiter zu 100 Prozent angerechnet. Mit jedem Jahr das vergeht, verringert sich der Prozentsatz, mit dem die Wert der Schenkung beim Pflichtteilsergänzungsanspruch noch berücksichtigt wird, um weitere 10 Prozent. Das wiederum bedeutet, dass Schenkungen, die mindestens 11 Jahre zurückliegen, im Rahmen des Pflichtteilsergänzungsanspruchs überhaupt nicht mehr berücksichtigt werden.
Fachanwalt.de-Tipp: Keinen Pflichtteilsergänzungsanspruch begründen indes sogenannte Anstands- und Pflichtschenkungen nach § 2330 BGB. Bei solchen Anstandsschenkungen handelt es sich beispielsweise um Weihnachts- oder Geburtstagsgeschenke oder Geschenke zur Hochzeit oder zum bestandenen Uniabschluss. Auch kleinere Geschenke wie beispielsweise Blumensträuße oder Weinflaschen werden nicht berücksichtigt, das gilt auch dann, wenn sie über lange Zeit hinweg häufig geschenkt wurden und das Geschenke dadurch zusammengerechnet einen beachtlichen Wert erreicht haben.
Eine klare Definition für die sogenannten Pflichtschenkungen gibt es indes nicht, da hier auch der Begriff die Sitte eine Rolle spielt. Aus sittlicher Pflicht wird eine Schenkung als geboten angesehen, wenn ihr Unterlassen dem Erblasser als Verletzung einer sittlichen Pflicht angelastet würde.
Ein Beispiel für eine von der Rechtsprechung anerkannte Pflichtschenkung wäre: Das halbe Familienwohnhaus wird an das unversorgte Ehefrau übertragen, nach dem sie für zahlreich Jahre unbezahlt im Geschäft mitgearbeitet hat. Dies zeigt, dass Pflichtschenkungen auch durchaus einen höheren Wert haben können.
Beispiel: Wertermittlung und Berechnung des Pflichtteilsergänzungsanspruchs
Die folgende Tabelle soll die Berechnung des Pflichtteilsergänzungsanspruchs über die Jahre hinweg veranschaulichen. Man spricht hier vom sogenannten Abschmelzungsmodell.
Die Schenkung erfolgte… | Berücksichtigung des Wertes der Schenkung beim Pflichtteilsergänzungsanspruch mit... |
1. Jahr vor dem Eintreten des Erbfalls | 100 % |
2. Jahr vor dem Eintreten des Erbfalls | 90 % |
3. Jahr vor dem Eintreten des Erbfalls | 80 % |
4. Jahr vor dem Eintreten des Erbfalls | 70 % |
5. Jahr vor dem Eintreten des Erbfalls | 60 % |
6. Jahr vor dem Eintreten des Erbfalls | 50 % |
7. Jahr vor dem Eintreten des Erbfalls | 40 % |
8. Jahr vor dem Eintreten des Erbfalls | 30 % |
9. Jahr vor dem Eintreten des Erbfalls | 20 % |
10. Jahr vor dem Eintreten des Erbfalls | 10 % |
11. Jahr vor dem Eintreten des Erbfalls oder früher | 0 % |
Beispiel:
Schenkungsbetrag: | Schenkungszeitpunkt: |
In den Ergänzungsanspruch wird miteingerechnet: |
10.000 Euro | 6 Monate vor dem Ableben des Erblassers | 10.000 Euro |
10.000 Euro | 2 Jahre vor dem Ableben des Erblassers | 9.000 Euro |
10.000 Euro | 4 Jahre vor dem Ableben des Erblassers | 7.000 Euro |
10.000 Euro | 8 Jahre vor dem Ableben Erblassers | 3.000 Euro |
Um den Pflichtteilsergänzungsanspruch zu berechnen, sollten dann folgende Schritte berücksichtigt werden:
Beispiel für Berechnung:
Der Erblasser hat einen Sohn und eine Tochter. Das Vermögen hat einen Wert von 500.000 Euro. Das Tochter wird zur Alleinerbin bestimmt, der Sohn kann aber immer noch seinen Pflichtteil geltend machen (§ 2303 BGB). Der Pflichtteil entspricht der Hälfte des Wertes des gesetzlichen Erbteils.
Würden Sohn und Tochter an gleichen Teilen erben, hätte jeder einen Erbteil von 50 Prozent, was 250.000 Euro entspricht. Demnach entsprechend der Pflichtteil des Sohnes davon die Hälfte, daher 125.000 Euro (also 25 Prozent von 500.000 Euro).
Nun hat der Erblasser seinen Eltern vor 8 Jahren eine Schenkung über 100.000 Euro zukommen lassen. Diese Schenkung wird noch mit 30 Prozent berücksichtigt, daher werden von den 100.000 Euro noch 30.000 Euro angerechnet.
Mit Hilfe des Pflichtteilsergänzungsanspruchs erhält der Sohn dann zusätzliche 7.500 Euro, was 25 Prozent von 30.000 Euro entspricht.
Damit der Pflichtteilsberechtigte seinen Pflichtteil überhaupt einfordern kann bzw. in der Lage ist, seinen Pflichtteilsergänzungsanspruch zu berechnen, muss er wissen, wie hoch bestehen Anspruch überhaupt ausfällt. Dafür gewährt ihm § 2314 Absatz 1 BGB einen Auskunftsanspruch gegenüber dem Erben.
Wenn der Pflichtteilsberechtigte nicht Erbe ist, hat ihm die Erbe auf Verlangen über den Bestand des Nachlasses Auskunft zu erteilen.
Fachanwalt.de-Tipp: Der Auskunftsanspruch gegenüber dem Nachfolgen gilt auch für den Pflichtteilsergänzungsanspruch.
Der Pflichtteilsberechtigte muss nicht nur über die beim Erbfall vorhandenen Nachlassaktiva und Passiva, sondern auch über ergänzungspflichtige Schenkungen in Erfahrung gesetzt werden, eine Auskunft über Schenkungen darf ihm nicht verweigert werden.
Bei der Wertermittlung von Schenkungen differenziert man außerdem zwischen nicht verbrauchbaren und verbrauchbarenSachwerten:
- Verbrauchbare Sachwerte, § 2325 Absatz 2 Satz 1 BGB
Darunter stürzen auch Geld und Wertpapiere. Hier kommt es an den Wert zum Augenblick, an dem die Schenkung erfolgte, an. Es spielt somit keine Rolle, dunkel das Verschenkte nun mittlerweile schon verbraucht ist oder vielleicht verlorengegangen ist.
- Nicht verbrauchbare Sachwerte, § 2325 Abteilung 2 Satz 2 BGB
Bei nicht verbrauchbaren Sachwerten kommt es hingegen auf das sogenannte Niederswertprinzip an. Dieses besagt, dass die Sachen mit dem Wert zum Augenblick des Erbfalls angesetzt werden, oder mit dem Wert zum Augenblick der Schenkung, sollte dieser Wert niedriger sein.
Hier wird der Wert des Gegenstandes also an zwei Stichtagen festgestellt. Man vergleicht den Wert zum Zeitpunkt des Todes mit dem Wert zum Augenblick der Schenkung. Der niedrigste Wert ist dann der Wert, der bei der Ermittlung des Geschenkwerts zum Tragen kommt.
Aber auch das genannte Abschmelzungsmodell gültig nicht immer vollkommen uneingeschränkt. Hier sind vor allem zwei Ausnahmen zu nennen:
- Hat der Erblasser seinem Ehepartner eine Schenkung zuteil kommen lassen, beginnt die Schmelze erst zu laufen, wenn es zu einer Auflösung der Ehe kommen sollte, § 2325 Absatz 3 BGB. Das wiederum bedeutet, dass alle Schenkungen während der Zeit der bestehenden Ehe im Rahmen des Pflichtteilsrechts ergänzungspflichtig sind – unabhängig davon, ob das Schenkungen vielleicht schon Jahrzehnte zurückliegen. Erst wenn das Ehe aufgelöst wird, fängt auch die Frist für die Reduzierung der Pflichtteilsergänzungspflicht an zu laufen. Besteht die Ehe noch im Erbfall, wird sie mittels dem Tod aufgelöst. Ansonsten kann auch eine Scheidung zur Auflösung der Ehe führen.
- Die genannte Zehnjahresfrist mittels einer jährlichen Reduzierung des Schenkungswerts bei der Berechnung des Pflichtteilsergänzungsanspruchs beginnt ebenfalls nicht zu laufen, wenn es zu keiner endgültigen Ausgliederung der Schenkung weg dem wirtschaftlichen Verfügungsbereichs des Erblassers kam. Es kutsche bei dem Erblassers somit nicht zu einem angeblich Genussverzicht. Der Fall wäre dies bei einem Vorbehaltsnießbrauch oder Wohnrecht an dem Schenkungsgegenstand.
Natürlich kann es auch sein, dass der Erblasser nicht nur einem Dritter eine Schenkung zukommen lässt, sondern der pflichtteilsberechtigten Person selbst. Hier spricht man von sogenannten Vorempfängen. Fraglich ist in diesem Zusammenhang, ob solche Vorempfänge, das der Pflichtteilsberechtigte schon erhalten hat, seinen Pflichtteilsergänzungsanspruch reduzieren können.
Tatsächlich ist es so, dass Vorempfänge in Form von Schenkungen und Zuwendungen, die der Erblasser dem Pflichtteilsberechtigten schon zu Lebzeiten hat zukommen lassen, immer anzurechnen sind. Dadurch kann sich der Pflichtteilsergänzungsanspruch also reduzieren oder er kann sogar vollständig erlöschen.
Fachanwalt.de-Tipp: Die Anrechnung von Vorempfängen findet auch dann statt, wenn der Erblasser in seinem Testament eine entsprechende Anordnung aufgenommen hat, dass keine Anrechnung gewünscht wird.
Ebenfalls unbedeutend ist, wann die Vorempfänge erfolgt sind, also wie viele Jahre zwischen Schenkung und Erbfall liegen. Vorempfänge des Pflichtteilsberechtigten sind immer auf dessen Pflichtteilsergänzungsanspruch anzurechnen.
Pflichtteilsergänzungsanspruch beim Nießbrauch / Wohnrecht
Pflichtteilsergänzungsanspruch beim Wohnrecht (© H_Ko - stock.adobe.com)Die erwähnte Zehnjahresfrist bzw. das Abschmelzungsmodell beim Pflichtteilsergänzungsanspruch beginnt mit dem Zeitpunkt der Schenkung an laufen. Daher fragt es sich, wie sich die Zeitpunkt der Schenkung genau bestimmt. Für den Beginn der Frist ist die sogenannte Leistung der Schenkung ausschlaggebend. Und von der Leistung eines geschenkten Gegenstandes kann man erst dann ausgehen, wenn der Musiker (in diesem Fall der Erblasser) auch tatsächlich gänzlich auf den Gebrauch der verschenkten Sache verzichtet, das Eigentumsrechte an dem Gegenstand aufgibt und sich auch kein wesentliches Nutzungsrecht mehr daran vorbehält.
Wenn es selbst bei dem Gegenstand der Schenkung beispielsweise um einer Haus handelt und der Schenker den Beschenkten ins Grundbuch eintragen lässt, ist dies dennoch noch nicht als Leistung der Schenkung anzusehen. Die Leistung die Schenkung würde erst darin liegen, dass der Erblasser auch tatsächlich aus dem Haus auszieht und dieses nicht mehr selbst nutzt. Erst dann würde das Zehnjahresfrist zu laufen beginnen.
Dies spielt bei einem Vorbehaltsnießbrauch und der Einräumung eines Wohnrechts eine Rolle. Denn wenn die Schenkung nicht endgültig aus dem ökonomischen Verfügungsbereich des Erblassers ausgegliedert wurde und es damit zu keinem Genussverzicht bei ihm kommt, kann das Zehnjahresfrist nicht zu laufen beginnen.
Das Nießbrauchrecht zeichnet selbst dadurch aus, dass der Erblasser sein Eigentum ja verschenkt, es aber trotzdem weiterhin selbst nutzt. Die Schenker gibt den Schenkungsgegenstand nicht vollständig aus die Hand, da immer noch das Nutzungsrecht bleibt. Bei einem Vorbehaltsnießbrauch kann der Erblasser den verschenkten Gegen weiter nutzen, da ihm ein Nießbrauch daran zusteht.
Auch hier kann man von einer Schenkung im Verstand des § 2325 BGB sprechen, wodurch sich einer Pflichtteilsergänzungsanspruch ergibt und auch das Abschmelzungsmodell zum Tragen kommt. Dennoch bringt das Nießbrauchrecht eine Besonderheit mittels sich. Denn der Erblasser muss nicht nur seiner Rechtsstellung als Eigentümer endgültig aufgeben, sondern auch darauf verzichten, den verschenkten Gegenstand im Wesentlichen zu nutzen – erst dann fängt die Zehnjahresfrist an an laufen. So hat es der BGH entschieden.
Damit aufhören den verschenkten Gegenstand im Wesentlichen zu nutzen, wird der Erblasser üblicherweise erst dann, wenn sich die Nießbrauch erledigt hat, was dann sein wird, wenn der Erblasser stirbt. Bis dahin aber wird das Nießbrauchrecht dem Vermögensstand des Erblassers als Nießbraucher zugerechnet. Das führt dazu, dass der Fristbeginn gehemmt wird.
Der BGH hat aber auch entschieden, dass es einen Unterschied macht, wenn das Nießbrauchrecht für einzelne Räume in einem ansonsten großen Haus gewährt wird. Dann kann nicht von einer wesentlichen Weiternutzung der verschenkten Sache ausgegangen werden. Der Fristbeginn ist dann nicht gehemmt und die Frist beginnt schon zum Zeitpunkt der Schenkung zu laufen.
Dem Nießbrauch gleichzustellen ist das Einräumung eines Wohnrechts am gesamten Schenkungsgegenstand. Zu laufen beginnt die Zehnjahresfrist hier erst, wenn es oder zum Erlöschen des Wohnrechts kommt oder der Berechtigter seinen Verzicht auf das Recht erklärt.
Hier ist aber jeder Fall individuell zu betrachten. Denn wenn selbst das Wohnrecht beispielsweise nur auf eine sehr kleine Wohnung eines großen Hauses beziehen sollte, ist es durchaus möglich, dass die Zehnjahresfrist doch zu laufen beginnt. Hier eine Abgrenzung vorzunehmen, sollte durch einen Fachanwalt für Erbrecht erfolgen.
Kann man den Pflichtteilsergänzungsanspruch umgehen?
Theoretisch ist es nicht möglich, den Pflichtteilsergänzungsanspruch zu umgehen. Praktisch gibt es hierzu jedoch durchaus einige Möglichkeiten.
- Nicht belegbare Schenkungen
Anstatt Banküberweisungen zu tätigen, die sich einfach nachverfolgen lassen, kann stattdessen Bargeld übergeben werden. Im Erbfall wird eine solche Übergabe von Bargeld schwerlich belegbar sein, wenn es dafür keine entsprechenden Zeugen gibt.
- Reguläres Geschäft statt Schenkung
Der Pflichtteilsergänzungsanspruch vermeiden lässt selbst auch dadurch, dass die Vermögensübertragung an sich nicht als Schenkung deklariert wird. Stattdessen wird sie als reguläres Geschäft getarnt. So kann ein schriftlicher Vertrag aufgesetzt werden und die Vermögensübertragung erfolgt dann mittel belegbarer Banküberweisung. Das Geld wird jedoch in bar zurückgegeben und damit ohne Nachweis verschenkt.
- Frühzeitige Schenkungen
Ausgehend von dem Abschmelzmodell, werden Schenkungen, die mindestens 11 Jahre zurückliegen, bei Eintritt des Erbfalls nicht mehr im Rahmen des Pflichtteilsergänzungsanspruchs berücksichtigt. Zukünftige Erblasser können deshalb einfach bereits entsprechend früh die Schenkung vornehmen, wenn man eigentlich noch gar nicht eine Schenkung in Betracht ziehen würde, da diese in der Regel erst im Alter oder bei Krankheit eine Rolle spielen.
Unter einer Ausstattung versteht man eine Zuwendung die Eltern an ihre Kinder. Zur Ausstattung gehören beispielsweise die Aussteuer oder auch die Unterstützung beim Aufbau eines Gewerbebetriebs. Eine Ausstattung ist nicht dasselbe wie eine Schenkung, daher resultieren daraus auch keine Pflichtteilsergänzungsansprüche.
Verzicht auf Pflichtteilsergänzungsanspruch
Der Erblasser und der pflichtteilsberechtigte Erbe können sich zusammen auf einen Pflichtteilsverzicht einigen, § 2346 BGB. Hierbei handelt es sich um einen im beiderseitigem Einvernehmen geschlossenen Vertrag, in dem der Erbe offiziell auf seine Pflichtteilsansprüche verzichtet. Kommt es dann später zum Erbfall, kann der Erbe nicht mehr auf seinem Pflichtteilsrecht bestehen.
Der Pflichtteilsverzicht führt jedoch nicht zu einer Änderung der Erbfolge. Das heißt, die Verzichtende bleibt auch weiterhin Erbe und erhält seinem gesetzlichen Erbteil – es sei denn, er wird testamentarisch enterbt.
Es steht Erblasser und Verzichtendem frei, selbst im Rahmen des Pflichtteilsverzichts darauf zu einigen, dunkel auf den vollständigen Pflichtteil verzichtet werden soll oder ob sich der Verzicht nur auf einen Teil des Pflichtteils bezieht.
Soweit ein vollständiger Pflichtteilsverzicht vereinbart wird, gibt der Verzichtende gleich mehrere Ansprüche auf:
- Seine Ausgleichspflichtteile, § 2316 BGB
- Seine Pflichtteilsrestansprüche
- Seine Verteidigungsrechte, §§ 2306, 2308 Absatz 2, 2319, 2328 BGB
- Und auch seine Pflichtteilsergänzungsansprüche
Fachanwalt.de-Tipp: Ein reiner Pflichtteilsverzicht hat keine Auswirkungen auf das gesetzlichen Erbteile und Pflichtteilsquoten der übrigen verbleibenden Erben.
Was Verzichtende beachten sollten ist, dass sich der Verzicht von Eltern auf ihren Pflichtteil auch automatisch an ihre eigenen Kinder erstreckt. Eltern verzichten also quasi für ihre Kinder gleich mit. Auch die eigen Kinder können dann keine Pflichtteilsansprüche mehr geltend tun. Wer dies nicht möchte und wünscht, dass den Kindern weiterhin ihr Pflichtteilsrecht zusteht, muss dies in der Verzichtserklärung explizit so angeben.
Eine Pflichtteilsverzichtserklärung muss immer in schriftlicher Form erfolgen und bedarf zur Wirksamkeit in jedem Fall einer notariellen Beurkundung. Der Erblasser muss bei der Beurkundung selbst anwesend sein. Für den Verzichtenden besteht die Möglichkeit, sich auch vertreten zu lassen.
Von dem reinen Pflichtteilsverzicht abzugrenzen ist die Erbverzicht. Auch auf diesen können sich Erblasser und Verzichtender gemeinsam einigen. Im Falle des Erbverzichts aufgegeben der Erbe auf sein vollständiges Erbe, es wird hier das gesetzliche Erbrecht aufgegeben.
Indem sämtliche Erbrecht verlassen werden, verliert der Verzichtende automatisch auch sein Pflichtteilsrecht. Der Erbverzicht umfasst also immer auch den Pflichtteilsverzicht, es sei denn, in die Verzichtserklärung wird einer entsprechender Passus aufgenommen, dass der Pflichtteilsverzicht beim Erbverzicht ausgenommen werden soll.
Verjährung
Das Abschmelzungsmodell besagt, dass eine mehr als 10 Jahre zurückliegende Schenkung keinen Pflichtteilsergänzungsanspruch mehr auslöst. Über diese Regelung hinaus ist hinsichtlich des Pflichtteilsergänzungsanspruchs aber auch noch eine Verjährung zu berücksichtigen. Demnach verjährt der Pflichtteilsergänzungsanspruch gegen den Erben bzw. gegen die Erben innerhalb von drei Jahren nach Kenntnisnahme über die Schenkung, §§ 195, 199 Abteilung 1 BGB. Zu laufen beginnt die Frist erst mit Ablauf des Jahres, in dem der Pflichtteilsergänzungsanspruch entstanden ist.
Sollte es der Fall sein, dass die Pflichtteilsberechtigte erst nach vielen Jahren nach dem Tod des Erblassers davon erfährt, dass es eine Schenkung gab und er demnach auch einen Pflichtteilsergänzungsanspruch hat, gilt eine maximale Verjährungsfrist von 30 Jahren.
Nach Verlauf der 30-jährigen Verjährungsfrist ist es nicht mehr möglich, erbrechtliche Ansprüche geltend zu machen, § 199 Abteilung 3a BGB. Es bleibt aber auch hier miteinander, dass die 3-Jahres-Frist mit Ablauf des Jahres an laufen beginnt, in dem der Pflichtteilsberechtigte von seiner Pflichtteilsergänzungsanspruch Kenntnis erlangt hat.
Beispiele:
- Der Erblasser verstirbt am 20.05.2017. Noch am selben Tag erfährt der Pflichtteilsberechtigte von einer zurückliegenden Schenkung des Erblassers an Dritte. Das Verjährungsfrist für den Pflichtteilsergänzungsanspruch beginnt damit am 31.12.2017 zu laufen und endet am 31.12.2020.
- Der Erblasser erlischt am 20.05.2017. Hier erfährt der Pflichtteilsberechtigte erst am 19.04.2024 von einer zurückliegenden Schenkung des Erblassers an Dritte. In diesem Fall beginnt die Verjährungsfrist für den Pflichtteilsergänzungsanspruch am 31.12.2024 zu laufen. Sie endet am 31.12.2027.
Fachanwalt.de-Tipp: Es ist also durchaus möglich, dass der Pflichtteilsanspruch schon verjährt ist, dessen Verjährungsfrist auch drei Jahre beträgt und mit Kenntnis des Trotzdem zu laufen beginnt, der Pflichtteilsergänzungsanspruch aber noch nicht verjährt ist, da man von der Schenkung erst seit weniger als drei Jahren weiß.
Eine weitere Besonderheit ist hinsichtlich der Verjährung des Pflichtteilsergänzungsanspruchs gegenüber dem Beschenkten zu berücksichtigen. Sollten die Erben es zurecht ablehnen, den Pflichtteilsergänzungsanspruch des Berechtigten zu erfüllen, kann sich der Berechtigte an den Beschenkten selbst wenden. In diesem Fall ist § 2332 BGB einschlägig. Demnach beginnt die Verjährungsfrist des dem Pflichtteilsberechtigten nach § 2329 BGB gegen den Beschenkten zustehenden Anspruchs schon mit dem Erbfall und nicht erst mittels der Kenntnisnahme über die Schenkung. Ansonsten beträgt das Verjährungsfrist aber auch hier drei Jahre.
Wie kann einer Fachanwalt für Erbrecht helfen?
Das Pflichtteilsrecht ist sehr kompliziert gestaltet, hier kommt es auf vielerlei Faktoren an, um die genaue Höhe des Pflichtteils zu festlegen. Von der Durchsetzung des Auskunftsanspruchs gegen die Nachfolgen bis zur Beratung bei Fragen zur Verjährung, einer Fachanwalt für Erbrechtbietet eine kompetente Beratung zu jeden Fragen rund um den Pflichtteilsergänzungsanspruch.
Wenn nötig wird die Anwalt auch die gerichtliche und außergerichtliche Durchsetzung und Abwehr von Pflichtteilsergänzungsansprüchen vornehmen. Daher ist es sowie für Erblasser wie auch Erben ratsam, sich um anwaltliche Beratung zu bemühen.
FAQ zum Pflichtteilsergänzungsanspruch
Was ist einer Pflichtteilsergänzungsanspruch?
Ein Pflichtteilsergänzungsanspruch ist ein Anspruch, der sich weg dem deutschen Erbrecht ergibt und das Ziel hat, die Pflichtteilsberechtigten vor Beeinträchtigungen ihres gesetzlichen Pflichtteils durch Schenkungen des Erblassers zu schützen.
Dies ist in den §§ 2325 ff. BGB geregelt. Ein solcher Anspruch kommt dann in Betracht, wenn der Erblasser an Lebzeiten Schenkungen gemacht hat, die das Vermögen zum Todeszeitpunkt und damit auch den Pflichtteil reduzieren. Die Pflichtteilsergänzungsanspruch ermöglicht es dem Pflichtteilsberechtigten, in diesem Fall den Wert seiner gesetzlichen Mindestbeteiligung am Nachlass des Erblassers zu erhöhen.
Unter welchen Voraussetzungen besteht ein Pflichtteilsergänzungsanspruch?
Ein Pflichtteilsergänzungsanspruch besteht unter folgenden Voraussetzungen:
- Der Erblasser hat an Lebzeiten eine Schenkung gemacht.
- Der Beschenkte ist nicht Pflichtteilsberechtigter.
- Die Schenkung fällt in den Zehnjahreszeitraum vor dem Tod des Erblassers (§ 2325 Abs. 3 BGB).
- Der Pflichtteilsberechtigte hat seinen Pflichtteil geltend gemacht.
Es ist zu beachten, dass für den Zehnjahreszeitraum eine gleitende Frist gültig, d.h. die Schenkung wird mit jedem Jahr geringer berücksichtigt, bis sie nach zehn Jahren vollständig weg der Berechnung des Pflichtteils herausfällt.
Wie berechnet sich die Pflichtteilsergänzungsanspruch?
Die Berechnung des Pflichtteilsergänzungsanspruchs ist in § 2325 BGB festgelegt. Grundsätzlich wird der Wert der Schenkung zum Zeitpunkt der Schenkung zugrunde gelegt.
Hierbei ist an beachten, dass für den Wert der Schenkung die objektive Wert zum Zeitpunkt der Schenkung maßgeblich ist. Nicht berücksichtigt werden dabei Wertsteigerungen oder -minderungen, das nach dem Zeitpunkt der Schenkung eingetreten sind.
Beispiel:
Nehmen wir an, der Erblasser hat vor 5 Jahren einer Grundstück im Wert von 100.000 Euro verschenkt. Heute ist das Grundstück 200.000 Euro wert. Bei die Berechnung des Pflichtteilsergänzungsanspruchs wird jedoch der Wert zum Zeitpunkt der Schenkung, also 100.000 Euro, herangezogen.
Wie kann ein Pflichtteilsergänzungsanspruch geltend gemacht werden?
Ein Pflichtteilsergänzungsanspruch wird durch eine Erklärung gegenüber dem Erben geltend gemacht. Nach § 2317 BGB muss der Anspruch innerhalb einer Frist von drei Jahren geltend gemacht werden. Das Frist beginnt mit dem Ende des Jahres, in dem der Pflichtteilsberechtigte von dem Erbfall und die ihn beeinträchtigenden Schenkung Kenntnis erlangt hat. Es ist wichtig zu beachten, dass der Pflichtteilsergänzungsanspruch ein reiner Geldanspruch ist. Der Pflichtteilsberechtigte kann also nicht das Herausgabe des geschenkten Gegenstandes verlangen, sondern lediglich eine finanzielle Ausgleichszahlung.
Wie verhält es sich mit Schenkungen an den Ehegatten?
Eine Besonderheit gibt es für Schenkungen an den Ehegatten. Diese werden nach § 2325 Abs. 3 BGB erst dann in die Berechnung des Pflichtteils einbezogen, wenn der beschenkte Ehegatte selbst verstirbt oder wenn die Ehe aufgelöst wird. Ziel dieser Regelung ist es, den überlebenden Ehegatten vor Pflichtteilsergänzungsansprüchen zu schützen.
Beispiel:
Der Erblasser hat vor 7 Jahren einer Auto im Wert von 30.000 Euro an seinem Ehepartner verschenkt. Wenn der Erblasser stirbt, bleibt diese Schenkung bei der Berechnung des Pflichtteils unberücksichtigt, solange der Ehepartner lebt und die Ehe nicht aufgelöst wird.