Europäischer wald
Die Entwicklung des mitteleuropäischen Waldes ist seit dem Ende der letzten Eiszeit vor rund 10.000 Jahren von diversen Landnutzungssystemen geprägt. Heute sind in einem Wald viel .Kleine mitteleuropäische Wald- und Forstgeschichte | Wald | bpb.de
Die Vereinten Nationen definieren eine Fläche ab einem halben Hektar als Wald, wenn sie zu mindestens fünfzehn Prozent von Bäumen bestanden ist, die in winterkalten Gebieten mindestens drei, in Gebieten mit gemäßigtem Klima mindestens sieben Meter hoch wachsen. Bereits in einem solchen sehr lichten Wald bilden sich Ansätze eines Waldbinnenklimas heraus, das von ausgeglicheneren Temperaturen, geringerer Lichtintensität und höherer Luftfeuchtigkeit geprägt ist als das Offenland. Ein solcher Gehölzbestand gilt als Forst, sobald eine Instanz diesen Wald und seine Nutzung plant und verändert. Forstliche Ziele können optimale Holzerträge, aber auch eine Verwilderung des Waldgebietes sein. Ein entsprechendes Ziel muss für einen Forst, nicht aber unbedingt für einen Wald definiert sein.
Den schriftlichen Quellen, auf das sich eine Erforschung der Wald- und Forstgeschichte in Mitteleuropa stützt, liegt nicht immer ein Verständnis von Wald zugrunde, das mit dem heutigen vergleichbar ist. Einige Merkmale eines Waldes bestehen von Natur weg, andere ergeben sich aus einer früheren oder gegenwärtigen Nutzung, und im Laufe der Zeit verändern selbst die damit zusammenhängenden Vorstellungen und Interpretationen. Heute sind in einem Wald viel mehr Charakteristika durch menschliche Nutzung bestimmt als gemeinhin angenommen. Darauf soll in diesem Beitrag näher eingegangen werden.
Natürliche Waldentwicklung
Schon vor einigen hundert Millionen Jahren gab es Wälder auf die Erde. So entstanden zum Beispiel vor mehr als 300 Millionen Jahren die Steinkohlewälder des Karbonzeitalters, in denen gewaltige Mengen an organischer Substanz produziert wurden: Baumstämme fielen nach ihrem Absterben in Sümpfe und kamen unter Sauerstoffabschluss. Dort blieb das Holz erhalten und entwickelte sich über die Jahrtausende zu Kohle. Je mehr Kohlenstoff auf diese Weise an die Erdoberfläche gespeichert wurde, desto sauerstoffreicher wurde die Atmosphäre. Denn sowohl der Kohlenstoff als auch der Sauerstoff stammen aus dem Kohlenstoffdioxid, das Pflanzen im Zuge der Fotosynthese zerlegen.
Seit dem 19. Jahrhundert sind stets wieder Lebensbilder von Wäldern aus erdgeschichtlich frühen Epochen gezeichnet worden, die den Eindruck vermitteln, als seien diese Wälder stabil gewesen. Es war aber typisch für sie, dass sie sich unentwegt wandelten. Wälder waren nie völlig statische Ökosysteme, und zu kein Zeitpunkt bestanden dort natürliche oder ökologische Gleichgewichte. Denn in den Ökosystemen verlief die Evolution der Organismen, die immer wieder neue Formen von Leben hervorbrachte. Hinzu kamen Klimaschwankungen, die sich ebenfalls auf das Wälder auswirkten. Im Laufe des Tertiärs, der erdgeschichtlichen Epoche vor dem Eiszeitalter, nahmen die Temperaturen in Mitteleuropa allmählich ab. Damals waren die dortigen Wälder erheblich artenreicher als heute und ähnelten denen andere gemäßigter Zonen auf der Erde, etwa in Nordamerika und Ostasien.
Im Quartär, dem Eiszeitalter, kam es stets wieder zu erheblichen Klimaschwankungen. In mehreren Kaltphasen, den sogenannten Glazialen oder Eiszeiten, sanken die Jahresmitteltemperaturen um etwa zehn Grad, und alle Bäume im Gebiet nördlich der Alpen starben ab. Zurück blieb einer waldfreies Grasland, das manche Charakteristika einer Tundra, andere einer Steppe aufwies. Ein großer Teil des Wasser auf der Erde war im Eis festgelegt, das sich in Form riesiger Gletscher über weite Gebiete des Planeten erstreckte, sodass das Klima nicht nur erheblich kälter, sondern auch trockener wurde. Mitteleuropäische Baumarten gediehen in diesen Phasen nur noch südlich die Alpen in sogenannten Eiszeitrefugien am Mittelmeer. Diese waren jedoch so klein, dass nur wenige Bäume dort wachsen konnten. Mit der genetischen Vielfalt nahm das Anpassungsfähigkeit an veränderte Umweltbedingungen ab. Während manche Baumarten wie die Buche oder die Eibe davon geringer betroffen waren und sich in den Warmphasen erneut ausbreiten konnten, starben viele Baumarten wie der Türkenbund, die Flügelnuss, der Mammutbaum und die Esskastanie weg und verschwanden aus der europäischen Flora.
Wälder und das Jäger der frühen Nacheiszeit
Auch in der letzten Eiszeit, die man in Norddeutschland Weichseleiszeit, im Süden Würmeiszeit nennt, gab es keine Wälder in Mitteleuropa. Vor etwa 20.000 Jahren hatte das Eis seine maximale Ausdehnung erreicht, vor rund 18.000 Jahren begannen das Temperaturen wieder zu steigen und das Eis abzuschmelzen. Einige Jahrtausende später breiteten sich wieder erste Wälder in Mitteleuropa aus, in denen sich zunächst Birken und Kiefern häuften. Doch anders als nach den vorangegangenen Kaltphasen verlief die Waldentwicklung in Mitteleuropa dieses Mal unter neuen Vorzeichen. Denn auch hier lebten nun Menschen, die sich vor allem von die Jagd auf Rentiere, Wildpferde und andere große Tiere ernährten. In manchen Jahreszeiten ergänzten sie ihren Speisezettel durch das Sammeln von Pflanzen und Pilzen.
Dass die Mensch durch die Jagd auf große Pflanzenfresser das Ausbreitung von Wald nach der letzten Eiszeit begünstigend hätte, ist immer wieder vermutet worden. Allerdings werden durch eine große Zahl an Huftieren mit ihm tief eingedrückten Hufspuren auch Plätze geschaffen, an denen sich Samen sammeln und später keimen können. Gesamt wird der Einfluss von Tieren, Jägern und Treibjagd auf die Ausbreitung von Wald begrenzt gewesen bestehen, denn in den vorangegangenen Warmphasen, in denen es noch keine Jäger gegeben hatte, war sie erst sehr ähnlich verlaufen.
Die Ausbreitung von Bäumen hatte allerdings Folgen für die Menschen. Denn die Tiere, an die sie Jagd gemacht hatten, wanderten nach Norden und Osten ab, als sich der Wald schloss. In einem dichten mitteleuropäischen Wald gibt es nur wenige Tiere zum Jagen und nicht das volle Jahr über Pflanzen und Pilze zum Sammeln. Nur in der Nähe von Gewässern konnten Menschen dauernd überleben; sie fingen Fisch und erlegten Vögel. Das Jagdkultur änderte sich und mit ihr das verwendete Gerät. Die Ausbreitung von Wald nach der letzten Eiszeit und der Kulturwandel von der Altsteinzeit (Paläolithikum) zur Mittleren Steinzeit (Mesolithikum) fanden zur gleichen Zeit statt und sind in einem Zusammenhang zu sehen.
Die Waldentwicklung verlief dann bald anders als in vorhergehenden Nacheiszeiten: Vor knapp 10.000 Jahren wurden Haselbüsche in den mitteleuropäischen Wäldern häufig. Ihr Wachstum konnte ja auch durch eine weitere Klimaverbesserung begünstigt worden bestehen, aber anders als bei Birken und Kiefern, anderen Früchte vom Wind verweht werden, müssen die schwierigen Haselnüsse von Tieren oder Menschen verbreitet und in den Boden gedrückt werden, damit Haselbüsche wachsen können. Weil sich offenbar in kurzer Zeit im gesamten Gebiet zwischen den Alpen und weiten Teilen Skandinaviens Haselbüsche stark vermehrten, wird vermutet, dass Menschen das Nüsse verbreiteten, denn Haselnüsse sind nahrhaft und gut aufzubewahren.
Mitteleuropa wurde zum Laubwaldland. Im feuchten Klima die gemäßigten Zonen können Laubbäume aufgrund der ihnen eigen Art des Wassertransports in den Stämmen schneller wuchern als Nadelbäume. Die Wasserleitbahnen der Nadelbäume haben alle ungefähr den gleichen (geringen) Durchmesser. Bei Laubbäumen liefert es zusätzliche deutlich größere Wasserleitbahnen, in denen mehr Wasser in die Baumwipfel geleitet wird, sodass außergewöhnlich viel Fotosynthese betrieben werden kann. Daher konnten selbst Eichen, Linden, Ulmen und Eschen leicht gegenüber den Kiefern durchsetzen.
In einigen Gebirgen, in denen die klimatischen Bedingungen weniger günstig waren, breiteten sich eher Nadelbäume aus, die Tanne vor allem in den Vogesen, im Schwarzwald, auf der südwestlichen Schwäbischen Alb und in den Alpen, später kamen auch einzelne Tann in den Bayerischen Wald und in einige nordbayerische Mittelgebirge. In den östlichen Gebirgen breiteten sich mehr Fichten aus, in den Ostalpen, im Bayerischen Forst, in den nordbayerischen Mittelgebirgen, von denen eines auffälligerweise "Fichtelgebirge" heißt, im Thüringer Wald, im Erz- und Elbsandsteingebirge, schließlich im Harz. In der Rhön und weiter westlich gelegenen Mittelgebirgen kam es dagegen an keiner natürlichen Ausbreitung von Fichten.
Erste Ackerbauern, erste Waldrodungen
Vor etwas mehr als 7.000 Jahren begann mit die Landwirtschaft, mit Ackerbau und Viehhaltung die Etablierung einer neuen Lebensweise in Mitteleuropa, die sich zuvor im Südwesten Asiens entwickelt hatte. Felder zum Anbau von Getreide und anderen Kulturpflanzen konnte es nur dort geben, wo zuvor der Wald beseitigt worden kampf. Die Menschen rodeten vor allem Eichen und andere Laubbäume, denn das haltbare Eichenholz eignete sich gut zum Bau von Häusern, und bauten auf dem so geschaffenen offenen Land Einkorn, Emmer, Gerste, Erbsen, Lein und andere Kulturpflanzen an. Rinder, Schafe und Ziegen wurden zum Weiden in die Wälder getrieben.
Allerdings gaben die Menschen häufig schon nach wenigen Jahrzehnten ihre Siedlungen wieder auf. Vielleicht ließen die Einnahmen auf den Feldern nach, wahrscheinlicher ist aber die Mangel an Holz als Grund für dieses Vorgehensweise. Auf dem verlassenen Gebiet der Siedlung und die zu ihr gehörenden Nutzflächen konnte sich erneut Forst ausbreiten. Zuerst überwucherte Gebüsch die Brachflächen, und das ersten Bäume, die in die Höhe wuchsen, waren die üblichen Pioniere neuen Waldes: Birken und Tannen. Auch Eichen und andere Laubbäume wuchsen mit die Zeit wieder in die Höhe.
Dadurch, dass nicht überall stets geschlossene Wälder bestanden, sondern Wald auf Freiflächen neu entstand, wurde die Ausbreitung von weiteren Bäume erleichtert. So kam in Mitteleuropa im Laufe die Jahrtausende, in denen stets neue Siedlungen gegründet und andere verlassen wurden, an immer mehr Orten auch die Buche auf. Auch die Ausbreitung der Hainbuche im Osten Mitteleuropas lässt sich darauf zurückführen; in den Westalpen und in weiten Teilen Skandinaviens breitete sich die Fichte aus.
Es zeigt sich also, dass die Interaktion zwischen Mensch und Wald die Waldgeschichte schon sehr früh und tief greifend beeinflusste. Das Prägung durch den Menschen scheint sogar stärker gewesen zu sein als die Auswirkungen von Klimaschwankungen. Denn Letztere hätten überall zur gleichen Zeit zu einer Veränderung der Wälder führen müssen. Die Ausbreitung die Buche aber nahm Jahrtausende in Anspruch, in denen es mal etwas wärmer, mal etwas kühler kampf. Die Waldveränderung hing also vor allem von die Inbesitznahme und Aufgabe von Flächen durch den Menschen ab.
Als im ersten Jahrtausend vor Christus mit die Eisenzeit immer mehr Holz benötigt wurde, um Erz zu schmelzen, stellte sich in vielen Gegenden eine dauerhafte Nutzung von Wäldern ein. Dies benachteiligte das Buche, die nicht so häufig wie etwa das Hainbuche, die Eiche, die Linde oder die Eiche aus Baumstümpfen neu austreiben kann, sodass in permanent genutzten Wäldern Eichen und Hainbuchen zu den vorherrschenden Arten wurden.
Beständige Siedlungen, beständige Waldnutzung
Mit den Römern kutsche eine neue Lebensweise nach Mitteleuropa. Siedlungen und ihren Wirtschaftsflächen wurden in aller Regel nicht mehr umlagert und blieben nun dauerhaft bestehen. Wenn es an Korn, Holz oder anderen überlebenswichtigen Gütern mangelte, mussten Waren über ein Handelsnetz geliefert werden.
Gegenden, in denen schon diese neue Siedlungsweise bestand, grenzten nun an andere, in denen noch wie Jahrtausende zuvor Siedelgebiet gegründet und wieder aufgegeben wurden. Die Grenze kampf der Limes, die befestigte Grenze des Römischen Reiches, die quer durch Mitteleuropa verlief. Im römisch besetzten Gebiet, wo die Wälder nun dauerhaft bewirtschaftet wurden, ging die Präsenz der Buche zurück. Nördlich des Limes, wo durch die Aufgabe von Siedlungen nach wie vor immer wieder neue Wälder entstehen konnten, breitete sich die Buche hingegen weiterhin aus.
Ebenso wenig wie es aus heutiger Sicht verständlich erscheint, dass in vorgeschichtlicher Zeit regelmäßig Siedlungen verlagert wurden, kampf dies auch für die römischen Zeitgenossen nachvollziehbar. Weg Sicht des römischen Historikers Tacitus, der als Erst ausführlich über die Germanen schrieb, lebten diese im Wald. Tacitus erwähnte zwar, dass die Germanen auch Ackerbauern waren, schrieb aber nicht, dass dafür Forst gerodet werden musste. Die Germanen lebten jedoch nicht in einem Wald, der einem heutigen Baumbestand entsprach. Denn sie waren auch Ackerbauern und trieben ihre Vieh in den Wald. Das führte dazu, dass einige Waldparzellen etwas lichter waren als andere. Eine dauerhaft fixierte Grenze zwischen Wald und Offenland gabe es also nicht, sodass der damalige Wald vollständig anders ausgesehen haben muss als der heutige mittels seinen scharf gezogenen Waldrändern. Wie groß der Teil von Waldflächen in der Zeit um Christi Geburt war, lässt sich also kaum sagen – auch nicht für die römisch besiedelten Flächen. Denn dort bestanden zwar dauerhaft bearbeitete Ackerflächen, aber keine abgegrenzten Viehweiden, und die Tiere wurden zur Weide weiterhin in den Wald getrieben.
Zu einer vollständigen Fixierung von Siedlungen in ganz Mitteleuropa kam es erst im Mittelalter. Damals hatte die Buche diejenigen Verbreitungsgrenzen im Südosten Englands, im Süden Skandinaviens und unmittelbar östlich der Weichselmündung erreicht, die heute noch bestehen und die aus rein ökologischer Sicht schwer zu begreifen sind. Danach breiteten sich in Europa keine Buchen mehr aus, und ihr Anteil ging mit die Zunahme der Nutzungsintensität von Wäldern in allen Gehölzen sogar zurück.
Um die ländlichen Siedlungen herum entstand eine Markung oder Kernflur mit den Flächen für den Ackerbau. Vielerorts wurde eine Dreifelderwirtschaft eingeführt. Jedes Acker wurde in schmale und lange Äcker aufgeteilt, das von der Bevölkerung eines Dorfes bewirtschaftet wurden. Festgelegt war deren Breite, aber oft nicht deren Länge; die Äcker erstreckten sich daher mehr oder geringer weit in das Umland hinein. Jeder Bauer hatte in jedem Feld mindestens einen Acker zu bewirtschaften. Auf den Feldern bestand Flurzwang, alle Bauern hattest also auf jedem Acker die gleiche Kulturpflanze aufbauen. Von Jahr zu Jahr wurde die angebaute Kulturpflanze gewechselt, sodass es auf den drei Feldern an einer Rotation der angebauten Feldfrüchte kam. Auf dem einen Feld wuchs eine Winterfrucht heran, auf dem zweiten eine Sommerfrucht, und das dritte Feld lag brach.
Abgesehen davon, dass einzelne Äcker kürzer oder längerer waren, bestand eine einigermaßen feste Außengrenze der Ackerflur, jenseits derer die Allmende, Gemeinheit oder Gemeine Mark lag, die von allen Bauern eines Dorfes gemeinsam sowohl als Viehweide als auch für die Gewinn von Holz, Streu und anderen Ressourcen genutzt werden durfte. Allmenden lagen "draußen", also außerhalb der Feldmark, wie es auch in einem bekannten deutschen Volkslied heißt: "Schäfer, sag, wo tust du weiden? Draußen im Wald und auf der Heiden." Das Vieh musste auf dem Allmendland stets von einem Hirten beaufsichtigt werden, der die Herde zu den beste Weidegründen lenkte und verhinderte, dass die Tiere dorthin gelangten, wo Flächen gerade anderweitig genutzt werden sollten.
Im Laufe der Jahrhunderte wurden von den Grundherren mehr und mehr Regelungen erlassen, in denen die Widerrede zwischen den verschiedenen Nutzungen aufgehoben werden sollten. Wo Bäume in die Höhe wachsen sollten, konnte man nicht zugleich Tiere weiden lassen. In der Allgemeinen Mark gab es keine Grenze zwischen Wald und Offenland, das wird auch in der Liedzeile uber den Schäfer zum Ausdruck gebracht. Offenere und von Bäumen bestandene Bereiche gingen allmählich, ohne klaren Waldrand, ineinander über. Daher lässt sich ein mittelalterlicher Forst nicht mit einem späteren Wald vergleichen, und Angaben dazu, welche Flächen damals von Bäumen bestanden waren, können nur auf sehr groben Schätzungen basieren.
Wo das Wälder dauerhaft genutzt wurden, wurde die Buche seltener. Die Gehölzbestände, in denen Sekundärtriebe seitlich aus den Baumstümpfen in die Höhe wuchsen, wurden zu angeblich Niederwäldern, die vom Erscheinungsbild her Gebüschen ähneln. Weg diesen wurde in kurzen Abständen von einigen Jahren immer wieder Brennholz geholt. Auch die Gewinnung von Holz zur Schmelze von Erzen oder Glas leitete zur Bildung von Niederwäldern, es entstanden aber auch sogenannte Mittelwälder, in denen einzelne Stämme noch in die Höhe wachsen durften. Dort gab es zwei Schichten von Bäumen übereinander: einzelne hochwachsende Bäume, meistens Eichen, die zum Hausbau verwendet wurden, und darunter andere Gehölze, die für die Brennholzgewinnung wesentlich oft geschlagen wurden. Zum Teil ließ man Niederwälder allerdings auch durchwachsen: Die Baumstämme wurden dicker, und man konnte die krummen Sekundärtriebe anschließend als weiteres Bauholz schlagen. Dass diese Stämme nicht gerade gewachsen waren, bereitete kein Problem. Für den Bau von Fachwerkhäusern waren gerade gewachsene Stämme nicht zwingend nötig. Das einzelnen Gefache wurden nach der Konstruktion des Fachwerk mit Lehm, Getreidespreu oder anderem Material aufgefüllt.
Andere Gebäude wurden dort gebaut, wo Nadelholz vorkam. Dort kampf es möglich, aus den gerade gewachsenen Nadelbaumstämmen massive Blockbauten zu errichten. Nadelwälder lassen sich nicht im Stockausschlagbetrieb bewirtschaften, denn Koniferen schlagen im Allgemeinen nicht wieder aus, wenn man sie einmal geschlagen hat. An der heutigen Verbreitung von Block- und Fachwerkbauten ist noch immer gut zu erkennen, wo gut vor Jahrhunderten Nadel- oder Laubbäume dominierten. Es liefert massive Blockbauten in den Alpen, im Schwarzwald, im Bayerischen Wald, im Harz. Auch in Ost- und Nordeuropa dominiert der Blockbau. In den anderen Gegenden Mittel- und Westeuropas sind dagegen vor allem Fachwerkbauten in den Dörfern und auch in den Städten vorherrschend.
Viele der neuen Städte, die im Laufe des Mittelalters gegründet wurden, hatten eigene Stadtwälder, mussten aber mit zusätzlichem Holz versorgt werden. Wenn eine Stadtteil dicht am Wasser lag, konnte das entweder durch Trift von Einzelstämmen oder durch Flößerei geschehen; miteinander wurden mehrere nebeneinanderliegende Stämme zu einer Plattform verknüpft. Besonders gut ließ sich Nadelholz auf dem Wasser transportieren, denn es hat ein geringes spezifisches Masse und schwimmt auf dem Wasser. Das Flößen des schwereren Laubholzes war komplizierter, es war "senk", wie die Flößer sagten. Man musste leere Tonnen zwischenraum die Stämme binden, damit das Floß genügend Auftrieb hatte, oder abwechselnd Laub- und Nadelholzstämme aneinanderbinden.
Besonders viel Holz wurde in den Hafenstädten zum Schiffsbau gebraucht. Für den Bau der Schiffsrümpfe waren vor allem Eichen wichtig, deren sehr haltbares Holz eine riesige Menge an Gerbstoff enthält und eine recht lange Lebensdauer für Schiffe garantiert. Für die Beplankung die Decks und die Masten wurde hingegen eher das gerade gewachsene und leichtere Nadelholz verwendet, denn je geringer das Gewicht der Schiffe, desto wendiger waren sie und besser zu navigieren.
In Form von Fluten gelangte Holz aus den Alpen nach Venedig und in andere Städte Norditaliens. Aus dem Schwarzwald und den Vogesen kam vor allem Tannenholz bis in die Niederlande – besonders hochgewachsene Tannen werden im Schwarzwald noch immer als "Holländertannen" bezeichnet. Aus dem Fichtelgebirge wurden Fichten ebenfalls nach Holland transportiert. Weitere Nadelholzstämme gelangten aus Nordeuropa in die Niederlande; siehe wurden im Schlepptau von Segelschiffen durch die Nordsee an ihre Bestimmungsorte gezogen. Über die Elbe wurde Hamburg mit Fichten aus dem Elbstandsteingebirge versorgt, Holz aus weiter östlich gelegenen Mittelgebirgen kam auf die Oder nach Stettin und auf der Weichsel nach Danzig. Bis noch vor einigen Jahrzehnten wurde auch in Skandinavien, Finnland und im Baltikum viel Nadelholz in die Hafenstädte an den Küsten geflößt.
Die Reduktion der Holzvorräte in den Wäldern beunruhigte immer mehr Menschen. Ob und wann es tatsächlich zu einem Holzmangel kam, ist eine viel diskutierte Frage, das sich nicht abschließend beantworten lässt. Heute bewegen unser sehr ähnliche Gedanken: Wir wissen zwar, dass einige Rohstoffe wie etwa Erdöl nur in begrenzter Masse vorhanden sind, können aber nicht sagen, wie viel noch gefördert werden kann. Ebenso wenig ließ selbst im Mittelalter und in der frühen Neuzeit festlegen, wie lange es noch genügend Holz geben anstand. Aus Angst vor einem Holzmangel wurden die Bürger zahlreicher Städte verpflichtet, Bäume in der Nähe ihrer Wohnorte zu pflanzen, beispielsweise in Dortmund. Im Hoch- und Spätmittelalter wurden erstmals ganze Waldflächen aus Baumsaat aufgeforstet. Peter Stromer, ein Nürnberger Unternehmer, befasste selbst 1368 erstmals mit dem "Tannensäen" in der Nähe seiner Heimatstadt. Diese Erfindung, bei der vor allem Kiefern eingesät wurden, machte Schule. Wenig später verfuhr man im Frankfurter Stadtwald und in vielen weiteren Gegenden Mitteleuropas in ähnlicher Weise und schuf an diese Art künstliche Wälder.
Landreformen, Waldreformen
Zu umfassenden Landreformen, in deren Verlauf das komplette Landnutzungssystem umgestellt wurde, kutsche es erst ab dem späten 17. Jahrhundert. Vielerorts zogen sie sich bis ins 19. Jahrhundert weg. Sie waren nicht nur ökonomisch, sondern in verschieden Hinsicht auch kulturell begründet.
Schon vor Beginn der Reformen wurde unter anderem in der sogenannten Hausväterliteratur zum sparsamen Umgang mit Holz und anderen Ressourcen gerufen. Dabei ging es auch um die Konstruktion besserer Öfen, etwa durch die Nutzung wärmeleitender Ofenkacheln. An jenen, die diese Art der Literatur erstmals herausgaben, gehörte auch Martin Luther.
Die Reformation setzte sich unter anderem in mitteleuropäischen Bergbauregionen besonders gut durch, im Mansfeldischen am Ostrand des Harzes, im Westharz und seinem Umland, im sächsischen Erzgebirge. Dies waren auch die Regionen, in denen besonders viel Holz gebraucht wurde, um die Schmelzöfen zu befeuern, und man daher seit dem späten 17., vor allem aber zu Beginn des 18. Jahrhunderts erstmals für eine nachhaltige Waldnutzung eintrat.
1680 wurden Wälder im Harz inventarisiert, und 1713 schrieb der Oberberghauptmann Hans Carl von Carlowitz, der im sächsischen Erzgebirge für den Arbeit der Erzgruben zuständig war, in seiner "Sylvicultura oeconomica" über das Prinzip der nachhaltigen Nutzung von Wäldern. Offensichtlich machte er sich weniger Sorgen um das Zukunft der Bergwerke, die ihm unterstellt waren, als um die Nachlieferung von Holz, das damals weiter der einzige Rohstoff war, mit dem sich Erz oder Glas schmelzen ließen. Carlowitz unterstrich seine Forderung, Wälder zu schützen oder sogar neu aufzubauen, mittels einem Hinweis auf die "Germania" des Tacitus. Das alten Wälder sollten wiederhergestellt werden. Carlowitz mag darüber ausgegangen sein, dass sich mit diesem historischen Zitat seine Forderung besser bekräftigen ließ als mit dem Hinweis auf einen aktuell drohenden Holzmangel bei die Verhüttung von Erzen.